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Guckmal-mensch-haste-schon-gesehn?

Mit diesen ganzen webzwonulligen Communities, Portalen, Diensten und Tools halte ich es so: mal gucken, bisschen recherchieren und – falls interessant – im Selbstversuch testen. Was ich mag, bleibt, was nicht, fliegt wieder raus. Mir macht das Spaß und einige Sachen sind ja tatsächlich – über den reinen Spaß hinaus – sehr nützlich, interessant oder zumindest schön anzusehen. (Bloß den Selbstversuch „Second Life“ habe ich mir erspart. Das fand ich schon im Konzept so daneben, dass ich dort nun wirklich nicht einchecken musste.)

Teil dieser Präsenzen ist natürlich das eigene Profil, in dem man mehr oder weniger über sich preisgibt, je nach Geschmack und Mitteilungsbedürfnis, der musikalische Teil von mir ist zum Beispiel ziemlich öffentlich. Worüber ich aber immer wieder staunen muss, ist, wie viel manche Leute von sich preisgeben, wie sorglos dort zum Beispiel Fotos veröffentlich werden. Hier muss man gar keine Paranoia bemühen, keine potenziellen Arbeitgeber, die im Netz ihren Bewerbern hinterherrecherchieren, keine Ex-Beziehungen und keinen Innenminister. Nein, mir geht es einfach um das Private.

Wenn Fotos einer ohnehin öffentlichen Veranstaltung – Konzert, Messe, Kongress, Fankurve – irgendwo im Netz stehen: na gut. War ja eh öffentlich. Aber was ist das für eine Art, ungefragt und ohne deren Erlaubnis Fotos von anderen ins Netz zu stellen? Das mag ja alles sehr lustig gewesen sein, bei der Fete letztens, aber hat es nicht in einem privaten, vertrauten und hoffentlich vertraulichen Rahmen stattgefunden? Scheinbar nicht.

Ich schreibe das übrigens nicht aus aktuellem Anlass, zumindest ist mir nicht bekannt, dass irgendwo ein Foto von mir gepostet ist, für das ich mich nachhaltig schämen müsste (anderslautende Hinweise bitte nicht in die Kommentare, sondern per Mail … ), aber es fällt mir einfach immer wieder auf, wenn ich mich bei den Facebooks, Flickrs oder Werkenntwens dieser Welt umsehe.

Sicher: Es steht jedem frei, die Grenze zwischen öffentlich und privat selbst und individuell zu ziehen. Dann aber bitte nur für sich. Und bei lustigen Feten-Reportagen und Jugenderinnerungen im Zweifel mal die anderen Beteiligten fragen. Vor Veröffentlichung.

Foto: flickr.com/Dominic’s pics

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Wie geht es Ihnen?

In meiner kurzen Polemik über die billigste aller Ausreden habe ich sie bereits kurz erwähnt: die Konventionen, die unser tägliches Miteinander regeln. Vielleicht gehört das hier aber auch eher in die Welt der inhaltsleeren Sprachfüllsel. Egal, heute wird es schon wieder polemisch: Ich finde es höchst seltsam, dass jeder so tut, als sei er ernsthaft um das Befinden ausnahmslos aller seiner Mitmenschen besorgt. Wie sonst ist die Frage zu verstehen, die einem ständig um die Ohren saust: „Wie geht es Ihnen?“

Erwartet jemand ernsthaft eine aufrichtige Antwort? Nein, ich weiß, ich frag ja auch nur deshalb so spitzfindig, weil es mir – abhängig von der Tagesform – gelegentlich ein wenig auf den Kittel geht. Zur Strafe trompete ich dann ein gutgelauntes Prima! durchs Telefon und damit ist dieses kurze kommunikative Warm-up auch schon beendet. Wer dann nicht nachhakt, hat eben keine ehrliche Antwort verdient gewollt.

Also alles halb so schlimm? Nein, ich denke nicht. Könnte man sich nicht bitte darauf verständigen, dass man nur fragt, wenn man’s wirklich wissen will? Warum muss man mit dieser doch eigentlich sehr freundlichen und aufmerksamen Geste so inflationär umgehen?

Manchmal muss ich mich beherrschen, nicht zum finalen Gegenschlag auszuholen, mit einer Antwort so in der Art wie „Oh, nett dass sie fragen. Tja, wo soll ich da wohl anfangen, also, gesundheitlich geht’s mir ja gut, bis auf den dicken Kopf heute Morgen, ist halt gestern bisschen spät geworden, haha, kennen Sie sicher, geht aber schon wieder, dochdoch, vor allem, wo ja jetzt das Wetter endlich besser ist, ich sag Ihnen, dieses dauernde Hin und Her – Regen, Sonne, warm, kalt, nass, trocken – das hält man ja im Kopf nicht aus, haha, im wahrsten Sinne des Wortes, gell, und man weiß auch nie was man anziehen soll und dann die ganze Arbeit im Moment, echt, so dermaßen viel zu tun, boah, weiß grad kaum, wo mir der Kopf steht, na, wenigstens ist ja zu Hause alles bestens, alle gesund und wohlauf und das ist ja schließlich die Hauptsache, jaha …“ Und genau in dem Stil nochmal mindestens drei Minuten weiter so. Besser fünf Minuten. Sechs. Und ich bin sicher: Zumindest dieser Anrufer würde sich sehr gut überlegen, ob er das beim nächsten Mal wirklich wieder fragen will. (Oder ob er jemals wieder bei mir anruft … Hab ich schon erzählt, dass ich eh nicht gerne telefoniere? Nein? Erzähl ich ein andermal.)

Also, mein Vorschlag:
Nur fragen, wenn die Antwort wirklich interessiert.
Sich dann Zeit nehmen, zuzuhören.
Und sich darüber freuen, dass man gerade etwas wesentliches, wichtiges und ehrliches über den anderen erfahren hat.

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Keine Zeit.

Heute steht mir der Sinn mal wieder nach ein wenig Selbsterkenntnis. Da ich aber davon ausgehe, dass ich nicht der einzige bin, dem es so ergeht, lasse ich das persönliche „ich“ beiseite und verallgemeinere mal ganz schamlos zum alles und alle umfassenden man:

Woran liegt es eigentlich, dass man mit dieser billigsten und einfallslosesten Ausrede von allen – „ich hatte leider keine Zeit“ – fast immer so mühelos und ungeschoren davonkommt? Dinge, die in zehn Minuten, höchsten zwei Stunden locker zu erledigen wären (na gut, vielleicht auch ein wenig mehr, aber darauf kommt es nicht an), scheitern an vorgeschobenem Zeitmangel. Lachhaft.

Tatsache ist, dass „keine Zeit“ in Wirklichkeit die geringste Rolle spielt. In Wahrheit vielmehr: „keine Lust“, „was besseres vorgehabt“, „anderes war mir wichtiger“, Trägheit, Faulheit, Müdigkeit, Frühlingsgefühle, Liebeskummer, Fernsehgucken, Musik machen, schlafen, lesen und 37 wunderbare Gründe mehr.

Kann man natürlich keinem so direkt sagen. Deshalb verschanzt man sich zum Beispiel hinter „du, boah, ich hab’ im Moment so dermaßen viel Arbeit, du, echt, …“ und – das ist überhaupt das Beste daran – erntet dafür weder zweifelndes Stirnrunzeln noch ungläubiges Augenbrauenhochziehen. Nein, im Gegenteil: Man hat damit eine erstklassige Vorlage zum kollektiven Gejammer ausgespielt, gibt man seinem Gegenüber doch dadurch die Möglichkeit, seinerseits das Klagelied des 36-Stunden-Tages anzustimmen. „Kenn ich, geht mir grad genauso …“ und schon ist man sich einig.

Praktisch. Aber trotzdem jämmerlich. Ich habe ja nichts gegen gewisse gesellschaftliche Konventionen (und um eine solche scheint es sich hier wohl zu handeln), schließlich tragen sie dazu bei, dass man im täglichen Leben miteinander klarkommt und sich nicht versehentlich die Schädel einschlägt. Warum aber ausgerechnet „keine Zeit“ im allgemeinen auf so breite Akzeptanz stößt, möchte ich irgendwann mal verstehen. Ich hätte ja auch gerne schon viel früher versucht, das herauszufinden, aber ich kam grad echt nicht dazu, weißt du, im Moment, boah, so dermaßen viel …

Ein Teufelskreis.