„Sie! Ja so wie Sie sich das vorstellen, geht das aber nicht!“ Ich hatte es schon wieder getan. Die leeren Flaschen in der Küche eingesammelt, gedankenlos in einen Korb gelegt, um diesen dann wenig später der zuständigen Leergetränkeflaschen-Fachmitarbeiterin zu präsentieren; in der Hoffnung, nach erfolgter Inaugenscheinnahme dafür den ein oder anderen Euro Pfand zurückzubekommen. Und bin natürlich wieder voll ins Messer gelaufen: Im Korb befanden sich neben dem pfandwerten Leergut drei pfandfreie Plastikflaschen, die ich von unterwegs mitgebracht hatte, aus möglicherweise zweifelhaft beleumundeten Discountsupermärkten fernab der Heimat.
Ich habe eine leise Ahnung, was hier gleich auf mich zukommt, so sicher, so unausweichlich, als würde ich gerade aus einiger Entfernung beobachten, wie ein Glas zu Boden fällt – es wird zerschmettern und ich kann nichts dagegen tun; genauso wird es mir gleich ergehen. So sehe ich mir selbst dabei zu, wie sich ein Drama shakespearescher Dimensionen anbahnt, es kommt auf mich zu, langsam wie ein eiskalter, feuchter Luftzug, der den Nacken hochkriecht, der zunächst frösteln, dann erschaudern lässt. Ich sehe, wie sich das Rote in den Augen meines Gegenübers Platz verschafft, pulsierend breiten sich die Äderchen über die Augäpfel aus, als würden sie brennen, diese Augen, denen keine meiner Bewegungen entgeht, seit ich die Getränkeabteilung vor gefühlt sechs Stunden betreten habe. Sie holt Luft, lädt durch und ich zieh mich warm an.
Ich fühle mich schlecht, ich bin ein Schwein. Schon wieder falsch gemacht, wofür ich vor gar nicht langer Zeit schon einmal gemaßregelt wurde, damals gerade noch so mit Bewährung davon kam und wofür ich mich nun – völlig zu Recht – demütigen lasse. Beim ersten Mal habe ich mich noch zaghaft gewehrt, ein ebenso hilfloses wie aufrichtiges „Oh, ich wusste nicht …“ gestammelt, nur um damit Anlauf zu nehmen für eine First-Class-Entschuldigung mit Leinenbändchen und Goldschnitt. Doch – damals wie heute – kam es dazu nicht. „Die hier“, sagt sie und hält mir eine der betreffenden drei vor die Nase, „die können Sie zuhause in Ihren Hausmüll werfen! Und die! UND DIE!“
Aber heute gebe ich nicht so schnell auf, denn ich bin ein Kämpfer, ein Löwe und habe dem Tod schon an anderer Stelle ins Auge gesehen. Also nehme ich allen Mut zusammen, versuche ein zaghaftes Lächeln und setze auf Diplomatie – auf offenem Feld kann ich diese Schlacht ohnehin nicht gewinnen, obwohl mir das Gelände heute gewogen wäre: Ich bin allein an der Getränkekasse, Auge in Auge mit der letzten Instanz. Und darf so immerhin heute die drei Fremdkörper im supermarkteigenen Müll endlagern.
Den Krieg habe ich verloren, ja, den kann ich nicht gewinnen, aber immerhin diese eine Schlacht gewonnen. Fühle mich leer, aber gut.